AG Botanik besucht Forschungsprojekt an der Universität Münster

Rollen für den Urwaldschutz - Löwenzahn als Kautschuk-Lieferant

Prof. Dr. Dirk Prüfer (links) führte die Besucher der AG Botanik durch die Forschungslaboratorien des Institutes für Biowissenschaften Bild: Thomas Hövelmann
Prof. Dr. Dirk Prüfer (links) führte die Besucher der AG Botanik durch die Forschungslaboratorien des Institutes für Biowissenschaften Bild: Thomas Hövelmann

 

Auto- und Fahrradreifen aus Löwenzahn? Was zunächst wie ein Witz klingt, ist durchaus möglich und vielleicht in Zukunft sogar Alltag. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dirk Prüfer vom Institut für Biowissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster beschäftigt sich intensiv mit der Forschung an Naturkautschuk aus verschiedenen Löwenzahn-Arten. Am Mittwoch, den 14. Februar 2018, führte er eine Delegation der AG Botanik durch die Laboratorien und Gewächshäuser und stellte in einem Vortrag Hintergrund, Geschichte und aktuelle Ergebnisse des Forschungsprojektes vor.

Hauptakteur ist dabei der Russische Löwenzahn Taraxacum kok-saghyz. Diese Art bietet die bislang von allen Löwenzahn-Arten am besten nutzbare Menge und Qualität an Naturkautschuk, der aus dem Milchsaft in den Wurzeln der Pflanze gewonnen wird. Spannend ist dabei die Entdeckung dieser Eigenschaft: als Russland unter Stalin versuchte, sich von Kautschuk-Importen unabhängig zu machen, fanden beauftragte Botaniker die unscheinbare Art im Tian-Shan-Gebirge an der kasachisch-chinesischen Grenze. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg gelangte das Wissen auch nach Deutschland, wo geringe Mengen im Krieg genutzt wurden.

Kautschuk - der feste Bestandteil des auch Latex genannten Milchsaftes von Pflanzen - findet sich in mehr als 12.000 Arten aus vielen verschiedenen Pflanzenfamilien. Mit dem Milchsaft schützen sich die Pflanzen vor Fraßfeinden und Krankheitserregern. Wirtschaftlich nutzbar sind aber bislang nur drei Arten: der bislang fast ausschließlich genutzte Kautschukbaum Hevea brasiliensis, die Mexikanische Gummipflanze Guayule Parthenium argentatum und eben der Russische Löwenzahn. Der heimische Löwenzahn Taraxacum officinale führt zwar auch Milchsaft, ist aber leider von Menge und Qualität nicht nutzbar. Der Name "Kautschuk" leitet sich dabei übrigens von einem Indio-Wort für "Tränender Baum" ab.

Heute versprechen sich Forschung und Wirtschaft aus der Nutzung des Löwenzahn-Kautschuks vor allem ein Ersatzprodukt bei Bedarfsspitzen für den Latex aus dem Kautschukbaum, für dessen Anbau vor allem in Südostasien und Afrika große Flächen Urwald gerodet werden. Außerdem kann der Löwenzahn in nördlichen Klimazonen auf Grenzertragsstandorten mit vergleichsweise geringem Dünger- und Pflanzenschutzeinsatz angebaut werden. Das war natürlich für die Besucher des NABU besonders interessant, ebenso die Sorge um mögliche Verwilderungen der nicht heimischen Art und Einkreuzung in heimische Löwenzahn-Arten. Prof. Dr. Prüfer konnte hier aber beruhigen: die Anbauflächen werden streng kontrolliert und wissenschaftlich begleitet, bislang sei allein schon aus klimatischen Gründen kein Ausbüxen möglich.

Derzeit ist die Ausweitung des Löwenzahn-Anbaus zu Forschungszwecken auf fast 500 Hektar geplant. Mit der Marktreife und kommerziellen Nutzung in größerem Maßstab wird in fünf bis zehn Jahren gerechnet. Der große Reifen-Hersteller Continental hat bereits unter dem Markennamen "Taraxagum" erste Prototypen von Autoreifen auf den Markt gebracht und plant in Kürze auch die Produktion von Fahrradreifen - Rollen für den Urwaldschutz!

 

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