Skandalöser Umgang mit Beschwerde zum Kiebitzschutz

Stadt Münster unterlässt Kompensation von überbauten Brutrevieren - Umweltministerium schreitet nicht ein

Kiebitz mit Jungvogel im Gebiet Loddenheide im April 2020. Nach vollständiger Bebauung gibt es in der Loddenheide seit 2023 keine Kiebitze mehr. Foto: Theo Israel
Kiebitz mit Jungvogel im Gebiet Loddenheide im April 2020. Nach vollständiger Bebauung gibt es in der Loddenheide seit 2023 keine Kiebitze mehr. Foto: Theo Israel

Januar 2024: Unsere Beschwerde über die Stadt Münster hat einen äußerst fragwürdigen Ausgang genommen.

Wir hatten uns im April 2023 mit einem Beschwerdeschreiben und ausführlicher Begründung an das Umweltministerium NRW (MUNV) gewandt. Darin werden über 40 Fälle aufgeführt, in denen die Stadt Münster für die Bebauung von Kiebitz-Brutplätzen seit 2013 zuständig war, aber den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich für die Vögel nicht geschaffen bzw. nicht durchgesetzt hat (bei Bebauungsplänen ist die Stadt selbst verantwortlich, bei privaten Vorhaben im Außengebiet der jeweilige Bauherr). Wir forderten schließlich von der Stadt unter anderem großflächige Schutzgebiete, um damit den versäumten gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen sowie zukünftigen Ausgleichs-Verpflichtungen vorzubeugen. Eine brauchbare Antwort haben wir allerdings nicht bekommen. Was ist genau geschehen?

 

Der Kiebitz (Vanellus vanellus) ist Vogel des Jahres 2024 und eine gefährdete und damit besonders geschützte Art. Darüber hinaus ist der Kiebitz ein Indikator für ökologisch wertvolle Flächen, die letztlich auch die Menschheit für ihre Ernährung und ihr Überleben benötigt. In Münster brütete der Vogel in den letzten Jahren nur noch mit etwa 60 bis 70 Brutpaaren. In 2003 waren es noch 346.

 

Soll auf einer von Kiebitzen besiedelten Fläche gebaut werden, muss vor Beginn der Baumaßnahme in räumlicher Nähe eine Fläche für die Vögel so hergerichtet werden, dass sich eine entsprechende Anzahl an Brutpaaren selbst dort ansiedelt. Das ist in § 44 Bundesnaturschutzgesetz festgeschrieben. „Es ist nicht leicht es so hinzubekommen, dass die Vögel die Fläche schnell oder überhaupt annehmen. Deshalb sollte man davon absehen, Kiebitzreviere zu bebauen.“ sagt Detlef Lobmeyer, 1. Vorsitzender des NABU Münster. „Kiebitze benötigen z. B. rund um ihren Neststandort mindestens 50 m freie Fläche, es muss genug Nahrung (Insekten, Würmer usw.) geben und der Boden muss ausreichend feucht sein, damit die Küken nach Bodenlebewesen stochern können.“

 

Aber was ist nun aus der Beschwerde geworden? Hat die Stadt Münster ihre Fehler eingestanden und zugesagt, den Forderungen des NABU nachzukommen? Nun wird es schon wieder komplex. Es gilt nämlich, die Verwaltungsstrukturen zu kennen. Das Umweltministerium (MUNV) ist die oberste Naturschutzbehörde des Landes. Es leitete die Beschwerde an die Höhere Naturschutzbehörde (HNB) bei der Bezirksregierung Münster weiter. Diese wiederum, soviel weiß der NABU, stellte daraufhin einige Fragen zum Thema Kiebitzschutz in Münster an die Untere Naturschutzbehörde (UNB), angesiedelt beim Umweltamt der Stadt Münster. Seltsamerweise sind die Fragen aber nicht geeignet, die Beschwerdepunkte zu beantworten, denn sie erfassen keinen der Beschwerdepunkte. Sie beschränken sich vielmehr auf Bauleitplanverfahren ab 2014 statt auf die maßgeblichen älteren Bebauungspläne bzw. auf Bebauungen im Außengebiet. Die UNB beantworte die (untauglichen) Fragen und alles ging im September 2023 zurück über die HNB an das Ministerium.

 

Auf Nachfragen im Dezember 2023 und Januar 2024 bekam der NABU Münster dann eine sehr kurze Mail als Antwort des MUNV, in der eine Mitteilung der HNB zitiert wird:

"Nach Einschätzung der höheren Naturschutzbehörde ist der Stadt Münster kein Fehlverhalten nachzuweisen. Der Bericht verdeutlicht, dass die Stadt die rechtlichen Vorgaben zum Kiebitzschutz beachtet und im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten (u.a. Flächenverfügbarkeit) bestmöglich umsetzt." Der im Zitat erwähnte Bericht ist das o. a. Antwortschreiben der UNB auf die untauglichen Fragen.

 

Die Beteiligten beim NABU Münster sind fassungslos. Auf dieser Basis „kein Fehlverhalten“ zu diagnostizieren, macht uns sprachlos. Sämtliche unserer Beschwerdepunkte stehen unbeantwortet im Raum. Juristisch komplett unhaltbar ist es, die Verpflichtung zu diesen Kompensationsmaßnahmen von einer Flächenverfügbarkeit abhängig zu machen. Hier klebt sich die staatliche Obrigkeit fest, um einen rechtsstaatlichen Weg über alle Aufsichtsebenen hinweg zu blockieren! Ferner schürt ein derartiger Umgang mit legitimem bürgerschaftlichen Engagement Ressentiments gegen demokratische Strukturen. Das verurteilen wir.

 

Wir haben beschlossen, unseren Widerstand mit juristischem Beistand fortzusetzen.